Zuletzt aktualisiert am 3. Januar 2024
Das Angebot an SUV e-Bikes wächst beständig. Der Grund dafür ist einfach. Viele suchen ein e-Bike das ein möglichst breites Einsatzgebiet abdeckt und gleichermaßen für die Stadt, wie auch für Fahrten abseits von befestigten Straßen geeignet ist. Die Alleskönner nennt man All-Terrain e-Bikes, oder auch SUV e-Bikes.
Ich freue mich heute auf eine ausgiebige Testfahrt mit dem Hercules Nos SUV 2.2. Mein Testbike besitzt einen Diamantrahmen. Erhältlich wäre es auch mit Trapezrahmen, oder als Tiefeinsteiger. Wie sich das NOS im Test schlägt und ob es meine hohen Erwartungen erfüllen kann, erfahrt ihr hier im Testbericht.
Inhaltsverzeichnis
Technische Details
• Motor: Shimano Steps EP8 36V 250W, 85 Nm
• Akku: 630 Wh, entnehmbar aus dem Unterrohr
• Display: Shimano E6100
• Schaltungstyp: Kettenschaltung
• Schaltwerk: Shimano Deore RD-M5120, 10-Gang
• Rahmen: MTB Hardtail Series, 6061 Aluminium
• Gabel: RockShox 35 Gold, 120 mm Federweg, Motion Control, Lockout
• Bremsen: Shimano MT420, hydraulische 4-Kolben-Scheibenbremse, v: 203 mm, h: 180 mm
• Reifen: Schwalbe Johnny Watts Performance, 27,5+, 65-584
• Gewichtsfreigabe: bis 150 kg
• Farbe: silber-matt

Erster Eindruck: Sportliche Optik und hochwertige Ausstattung
Schon auf den ersten Blick wird klar, das NOS SUV 2.2 ist ein waschechtes e-MTB Hardtail mit straßentauglicher Vollausstattung. Mir gefällt besonders der vergleichsweise schlanke Rahmen, mit seiner gelungenen Motorintegration. Hercules gelingt beim NOS SUV der Spagat zwischen sportlicher Optik und hoher Motorleistung, mit reichlich Akkukapazität. Der verbaute EP8 Motor ist ein bewährter e-MTB Motor und mit 85 Nm der stärkste Antrieb von Shimano. Mit dem großen 630 Wh Akku sollten ausgedehnte Entdeckungstouren kein Problem darstellen.
Der Preis liegt bei 4.499.- €. Dafür bekommt man eine in dieser Preisklasse überdurchschnittlich hochwertige Ausstattung mit einer 120 mm RockShox Luftfedergabel, inklusive Lockfunktion und kräftigen Shimano Vierkolbenbremsen vorne und hinten. Als Schaltung ist eine robuste Shimano Deore 10-Gang verbaut. Sie ist günstig ersetzbar bei Verschleiss und dürfte den Anforderungen vollauf genügen. Eine starke 110-Lux Lichtanlage und robuste Metallschutzbleche runden das Gesamtpaket stimmig ab und dienen der Alltagstauglichkeit.
Na dann auf zur Probefahrt im schönen Markgräfler Land!

Die Probefahrt
Meine ersten Fahreindrücke decken sich zu 100% mit den optischen Eindrücken. Das NOS fährt sich nicht zufällig wie ein 27,5 Zoll E-MTB Hardtail – es ist ein 27,5 Hardtail! Wieselflink und agil lässt es sich durch Kurven manövrieren. Bedingt durch die 27,5 Zoll Bereifung und einen nicht zu flachen Lenkwinkel von 68° besitzt das NOS einen kurzen Radstand von nur 1149 mm (in Rahmengröße M). Das bringt jede Menge Fahrspaß, ganz nach meinem Geschmack!
Bereits auf den ersten Kilometern habe ich es mit ständig wechselnden Untergründen zu tun. Das NOS SUV 2.2 ist hier in seinem Element. Die breiten, gut profilierten 65er Johnny Watts-Reifen rollen noch erstaunlich leise auf Asphalt, und bieten auf Schotter-Wegen sehr gute Dämpfung und Grip.
Die Sitzposition ist moderat sportlich und angenehm, auch für längere Touren. Die Lenkerhöhe lies sich über den Vorbauwinkel noch individuell anpassen, für mich passt es jedoch so wie es ist.


Gepäckoptionen
Das NOS SUV 2.2 besitzt eine Freigabe von bis zu 150 kg Gesamtgewicht. Da bleiben genügend Reserven für reichlich Zuladung, etwa beim Einkauf, oder bei einer ausgedehnten E-Trekkingtour. Ein Alleinstellungsmerkmal beim Hercules ist hier der zweiteilige Gepäckträger, der maximale Flexibilität bietet. Auf dem i-Rack Systemgepäckträger lassen sich einfach und sicher eine große Auswahl an Packtaschen, Fahrradkörben, oder Gepäckboxen befestigen. Zusätzlich besitzt der Träger noch ein mit 4 Schrauben befestigtes Top-Teil, mit einer einfachen Federklappe. So, wie man es von früher gewohnt war. Klasse! Ich finde dies praktisch, denn ein sportliches SUV fährt man nicht immer mit Satteltaschen und so kann ich auch jetzt schnell meine Jacke ausziehen, auf den Träger klemmen, und die wärmenden Sonnenstrahlen im goldenen Oktober genießen. Wer noch mehr Platz für Gepäck benötigt, kann sich an das Steuerrohr einen optionalen Frontgepäckträger schrauben, mit bis 5 kg Zuladung. Ein Frontträger-Interface mit Schraubenaufnahmen ist hierfür vorhanden.

Mit dem SUV in den Kurpark
Als erstes Ziel meiner Testfahrt habe ich den weitläufigen Kurpark von Bad Krozingen gewählt. Belchenradler-Teamkollege Wanja begleitet mich zum Fotografieren und Filmen. Das Hercules Nos SUV macht vor dem Kurhaus mit seinen Palmen und gepflegten Blumenbeeten eine ausgesprochen gute Figur. Mit der dezenten Farbe silver-matt besitzt es eine edle, fast vornehme Anmutung. Man könnte mit diesem Bike auch problemlos vor die Oper fahren, ohne sich auch nur im Geringsten „underdressed“ zu fühlen.
Anstatt gepflegt in die Oper zu fahren, will ich heute im zweiten Teil meiner Testfahrt aber lieber in den Wald, um es dort auf knackigen Trails mal richtig krachen zu lassen und die e-MTB Gene im NOS SUV 2.2 zu wecken.


Das Shimano E6100 Display
Auf dem Weg dahin bleibt mir noch etwas Zeit mich mit dem abnehmbaren Shimano E6100 Display zu beschäftigen. Es ist intuitiv bedienbar und selbst im hellen Sonnenlicht noch gut ablesbar. Drei Unterstützungsstufen stehen bereit: ECO, NORM und HIGH. Natürlich gibt es auch eine Off-Funktion und eine Schiebehilfe (WALK). Die wichtigsten Daten wie Geschwindigkeit, Reichweite und Uhrzeit hat man immer direkt im Blick. Darüber hinaus verfügt es über eine Trittfrequenz-Anzeige und ermöglicht eine drahtlose Kommunikation und Datenaustausch mit Displays von Drittanbietern und Smartphone Apps.

Einsatz im Gelände
Der Krozinger Berg hat alles zu bieten, was es für eine Testfahrt mit einem All-Terrain-E-Bike braucht: Asphaltierte Strecken, grasbewachsene Naturwege, sowie Trails mit Treppen, knackigen Spitzkehren und extrem steilen Rampen.
27,5+ Johnny Watts Bereifung
Das NOS SUV ist mit breiten 27,5+ Reifen ausgestattet. An den Schwalbe Johnny Watts habe ich den Luftdruck auf 1,5 bar abgesenkt. Auf unbefestigten Naturwegen absorbieren sie damit wunderbar Steine, Wurzeln und alles was sich an kleinen Hindernissen unter die Stollen wirft. Diese Dämpfungseigenschaft der breiten Reifen macht den Hauptunterschied aus von einem SUV e-Bike wie dem Hercules NOS, zu einem Trekking e-Bike mit schmalerer Bereifung. Der Unterschied auf ungefestigten Wegen ist wie Tag und Nacht. Die ausgeprägten Stollen vermitteln darüber hinaus guten Grip und damit Sicherheit im Gelände. Ich durchfahre steile, enge Spitzkehren mit losem Untergrund und habe nie Angst, dass mein Vorderrad wegrutscht.

Shimano MT420 Vierkolbenbremsen
Mit so viel Vertrauen in das Bike wird der Spieltrieb in mir geweckt und ich ziehe am Scheitelpunkt der nächsten Kehre die Vorderradbremse, um das Hinterrad zu versetzen und so die Spitzkehre zu bewältigen. Die Shimano MT420 Vierkolbenbremse liefert in Kombination mit der großen 203 mm Schreibe am Vorderrad die richtige Bremsperformance für fortgeschrittene MTB-Fahrtechniken. Sie lässt sich mit klarem Druckpunkt feinfühlig dosieren und packt wenn nötig richtig zu. Mit zwei kleineren Umsetzern bewältige ich die Spitzkehre auf Anhieb. Langsam bekomme ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.
Nachteile des SUV-Konzepts
Es gibt jedoch auch negatives zu berichten, was rein dem SUV-Konzept geschuldet ist. Anbauteile haben beim ruppigen Geländeeinsatz leider immer wieder die Tendenz, sich mit der Zeit zu lösen, zu vibrieren, oder andere störende Geräusche zu verursachen. Nicht umsonst verzichtet man bei einem rein für den sportlichen Einsatz bestimmten e-MTB auf alles an Anbauteilen was nicht unbedingt notwendig ist. Beim Hercules NOS SUV 2.2 fällt als erstes der Seitenständer im Gelände unangenehm auf. Er wackelt und macht Geräusche beim Fahren. Dies ist nur eine Kleinigkeit und mit meinem Minitool-Inbus schnell wieder behoben, es zeigt aber die Anfälligkeit dieser Kategorie von e-Bikes.
In der nächsten Kehre erwarten mich 2-3 Naturstufen aus Rundhölzern im Boden. Jedes mal, wenn mein Vorderrad über eine Stufe rollt, meldet sich die Klingel zu Wort mit einem “Bling, Bling, Bling.” Dieses nervige Geräusch entsteht auch immer dann, wenn man das Vorderrad beim Fahren kurz anhebt und nach einem „Manual“, oder „Wheelie“, wieder aufsetzt. Diese Klingel erscheint mir nicht geeignet für den Einsatz im Gelände.
Einen letzten, der Alltagstauglichkeit geschuldeten Nachteil auf Naturwegen, sind die an sich hochwertigen Schutzbleche aus Metall. Kleine Steine die von den Stollenreifen munter aufgenommen und dagegen geschleudert werden, verursachen auch hier reichlich Geräusche. Lobend erwähnen möchte ich hier aber, dass das vordere Schutzblech nicht zu tief gezogen ist. Beim Überrollen von Stufen im Gelände besteht keine Gefahr, dass es aufsetzt.

Der Shimano EP8
Eine Abkürzung zum Gipfel erfolgt über eine extrem steile Rampe. Diese Rampe ist reines e-MTB Terrain und wäre mit einem Bio-Bike bergauf unfahrbar. Zu Fuß krabbelt man hier auf allen Vieren hoch und selbst mit einem hochwertigen e-MTB ist diese Steigung nicht einfach zu bewältigen. Für das Herkules Nos SUV 2.2 stellt dies eine echte Challenge dar. Man braucht hier richtig Leistung, was der Shimano EP 8 mit seinen 85 Nm auch hat, um auf genügend Speed zu kommen. Darüber hinaus entscheidet der Grip auf dem Hinterrad. Ob die Johnny Watts das können? Einen Versuch ist es Wert.
Ich schalte auf HIGH und wähle den zweitkleinsten Gang. Nun heißt es alles geben, Anlauf nehmen und schauen, dass das Vorderrad nicht steigt. Der ansonsten so leise arbeitende EP8 heult wütend auf und katapultiert mich nach vorn. Die Johnny Watts Stollen krallen sich wie Raubtiertatzen in den losen Untergrund. Zentral im Bike, mit dem Gesicht über dem Lenker, bewältigen das NOS und ich die Rampe. Jetzt sind wir ein Team geworden und das Grinsen ist wieder da!



Gipfelglück
Auf dem Gipfel angekommen belohnt mich der Ausblick für die gewonnene Challenge. Der Krozinger Berg ist mit seinen weitläufigen Rebflächen mitten im Rheintal ein echter Augenschmaus, wenn sich die Weinblätter gelb und rot färben an einem so sonnigen Oktobertag. Das Panorama reicht östlich zu den höchsten Bergen im Schwarzwald und westlich bis zu den Vogesen.

Fahrspaß bergab
Natürlich nehme ich auf der nun folgenden Abfahrt jede Trail-Herausforderung an, die sich mir bietet. Das Hercules Nos SUV 2.2 macht problemlos alles mit und bereitet mir viel Spaß. Das tiefgezogene Oberrohr sorgt für genügend Bewegungsfreiheit und damit für Sicherheit. Die Rockshox 35 Gold Luftfedergabel mit 120 mm Federweg, spricht sensibel an und bügelt auch größere Wurzeln glatt.
Eine Treppe mit über 20 Stufen, lasse ich dann aber doch lieber aus heute. Es wäre zwar mit dem NOS möglich, so etwas zu fahren, da ich das Testrad aber nur geliehen habe, will es nicht überstrapazieren. Der Einsatzzweck wofür es gebaut wurde ist ohnehin ein anderer. Es ist perfekt ausgelegt für Forstwege, bis hin zu leichtem Trail-Einsatz. Den meisten die sich für ein NOS SUV 2.2 entscheiden, dürfte dies vollauf genügen.
Entspannt lasse auch ich auf einfachen Wald- und Feldwegen meine Testfahrt ausklingen und genieße, als die Sonne schon fast hinter den Vogesen wegkippt, einen letzten Blick auf die Weinberge im goldenen Oktoberlicht.

Weitere Optionen
Wer häufiger den härteren Einsatz anstrebt, findet in der Hercules-Produktpalette unter der Bezeichnung NOS FS SUV 2.2,, bzw. Nos FS SUV 2.1., übrigens auch NOS SUV Bikes mit absenkbare Teleskopsattelstütze und mit Fullsuspension (FS).
Fazit
Das Hercules NOS SUV 2.2 hat meine hohen Erwartungen nicht nur erfüllt sondern sogar noch übertroffen. Die hochwertigen Komponenten sind nicht selbstverständlich in dieser Preisklasse und sprechen klar für das Hercules. Gewisse Nachteile im Gelände, wie die Geräuschanfälligkeit, sind der StVO-konformen Vollausstattung geschuldet und lassen sich kaum vermeiden. Dafür ist das NOS SUV 2.2 dann eben auch 100 % alltagstauglich.
Wer ein All-Terrain e-Bike für ein breites Einsatzgebiet sucht, sollte definitiv beim Hercules-Händler seines Vertrauens eine Probefahrt abmachen.
Herzlichen Dank an die e-Bike Experten von e-motion e-Bike Welt Freiburg Süd, für die Bereitstellung des Testrades!
Euer Belchenradler,
Christof Steier