Zuletzt aktualisiert am 5. September 2022
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So sieht also der Design & Innovation Award-Gewinner 2022 aus! Ich stehe vor dem brandneuen Riese & MĂŒller Multicharger Mixte GT Touring 750 und mein Blick schweift von vorne nach hinten ĂŒber das Bike. Die klassische Riese & MĂŒller Farbkombination Pearl-White / Black Matt steht dem Testrad, das in dieser Konfiguration 5.499 ⏠kostet, ausgezeichnet und lĂ€sst es sportlich elegant wirken. Das WeiĂ gibt dem Rad eine gewisse optische Leichtigkeit und lĂ€sst es weniger wuchtig erscheinen. Was neben dem serienmĂ€Ăigen FronttrĂ€ger direkt ins Auge sticht, ist der extra lange Hinterbau mit dem markanten GepĂ€cktrĂ€ger.
Er trĂ€gt die eingeprĂ€gte Aufschrift: Max Load 65 kg. Wow! SpĂ€testens jetzt wird klar Riese & MĂŒller macht hier Ernst. Das Mulitcharger ist ein vielseitig einsetzbares Lastenrad, im Gewand eines Touren & Pendler Pedelecs. Wie sich dieses besondere Lastenfahrrad im GelĂ€nde schlĂ€gt, habe ich gleich einmal getestet:
Ausstattungsoptionen des Riese & MĂŒller Multicharger
Besonders pfiffig sind die konfigurierbaren Ausstattungsoptionen fĂŒr den Personen- und GepĂ€cktransport. So gibt es bei Riese & MĂŒller nicht nur 2 variable Cargo-Taschen (159,90 âŹ) mit jeweils 33 Liter Volumen, sondern auch ein sogenanntes Passagier-Kit (169,90 âŹ). Mit einem Haltegriff am Sattelrohr, einer bequemen SitzflĂ€che und ausklappbaren FuĂrastern wird das Multicharger zum coolen e-Taxi! Erinnerungen werden in mir wach an urbane MobilitĂ€t & Dolce Vita mit kultigen Vespas in italienischen GroĂstĂ€dten. Auf MotorlĂ€rm und den Gestank von verbranntem Ăl kann ich heute aber gerne verzichten. Der Coolnessfaktor bleibt. Mit dem Passagier-Kit finden Kinder ab 6 Jahren und bis 65 kg Gewicht ihren Platz.


FĂŒr die ganz Kleinen gibt es das Safety-Bar-Kit (Preis 319,90âŹ). Zwei Kinder bis zum Grundschulalter finden damit hintereinander bequem Platz, gut gesichert durch eine stabile AuĂenstrebe. Ein Kindersitz fĂŒr ein Kleinkind kann ebenfalls darin montiert werden. Eine zweite Strebe dient zum Festhalten, so dass HĂ€nde und Arme im Innenbereich bleiben. Der Speichenschutz verhindert den ungewollten Kontakt zwischen Speichen und Frachtgut oder Befestigungsgurten.
Der Sideloader dient als FuĂstĂŒtze, zum Befestigen gröĂerer GepĂ€ckstĂŒcke oder zum Transport eines Kinderfahrrads. Das nenne ich mal gut durchdacht! Schade, dass es all diese Dinge noch nicht gab, als mein Sohn noch klein war âŠ
Die Mixte Rahmenform
Der Mixte-Rahmen mit dem abgesenkten Oberrohr, gefĂ€llt mir zwar optisch weniger gut als ein klassischer Diamantrahmen, er erleichtert den Ein- und Ausstieg in das Multicharger aber ungemein, vor allem wenn die âRĂŒckbankâ belegt ist. Das Rad hat eine Gewichtsfreigabe von bis zu 175 kg – damit lĂ€sst sich so einiges transportieren!

Neu beim 2022er Multicharger ist das viel diskutierte âBosch Smart Systemâ: Es beinhaltet einen neuen, superstarken 750 Wh Akku (der sich entnehmbar im Unterrohr befindet), eine neue LED-Remote und ein neues Kiox 300 Display. Laut Bosch stellt es den Antrieb in Sachen KonnektivitĂ€t mittels App auf eine neue Stufe. Mit den Funktionen und Anzeigen werde ich mich gleich noch vertraut machen, am meisten gespannt bin aber zunĂ€chst, wie sich das R&M Multicharger tatsĂ€chlich fĂ€hrt.

Auf gehtâs zur Probefahrt!
Der e-Bike Enthusiast Manfred Schwendemann, von e-motion e-Bike Welt Freiburg SĂŒd, hat mir freundlicherweise das Bike zu Testzwecken zur VerfĂŒgung gestellt. Meine Testfahrt fĂŒhrt mich von der Kurstadt Bad Krozingen aus in die Staufener Altstadt zum Wochenmarkt und von dort hinauf zur Burgruine und danach ins schöne MĂŒnstertal, im SĂŒdschwarzwald.
Verschiedene UntergrĂŒnde, mit Asphalt, Pflastersteinen und Naturwegen. Flache und steile Passagen, innerstĂ€dtisch wie auĂerstĂ€dtisch, stellen dabei hohe Anforderungen an die FlexibilitĂ€t des Riese & MĂŒller e-Bikes. Schon auf den ersten Metern fallen mir zwei Dinge direkt auf:

Erstens, das Multicharger fĂ€hrt sich weit agiler als man es von einem Lasten-Pedelec, das bei mir 31,8 kg auf die Waage brachte, vermuten wĂŒrde. Es fĂ€hrt sich im Prinzip wie ein normales Pedelec und ist bei weitem nicht so sperrig wie so manches Lastenrad.
Zweitens, die Sitzposition ist im Vergleich zum Charger3 das ich noch vor wenigen Wochen getestet habe, aufrechter, komfortabler und etwas weniger sportlich. Dies dĂŒrfte vor allem dem nach hinten gekröpften Lenker mit deutlich mehr Backsweep geschuldet sein, der dadurch auch schmaler wirkt als beim Charger3. In den engen Gassen von Staufen erleichtert es das Durchkommen im quirligen Leben, zwischen FuĂgĂ€ngern, MarktstĂ€nden und StraĂencafes. Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass ich mit zwei lebhafte Kiddies hinten die Balance halten muss, wĂŒrde ich mir persönlich wohl doch einen etwas breiteren Lenker wĂŒnschen, gerne auch mit weniger Backsweep.

Ein agiles Lastenrad
Im Vergleich zum Charger3 hat das Multicharger einen um 6 cm lĂ€ngeren Radstand (124 cm in GröĂe M). Bedingt durch die 26 Zoll Reifen liegt der Schwerpunkt angenehm tief und auch die GesamtlĂ€nge gerĂ€t keineswegs zu lang. So entsteht ein vergleichsweise wendiges, agiles Bike, bei dem Richtungswechsel und selbst enge Kurven noch Freude bereiten.
Lange LastenrĂ€der haben innerstĂ€dtisch oft das Problem kaum geeignete Abstellmöglichkeiten zu finden, da ausgewiesene FahrradstellplĂ€tze oft von den Stadtplanern viel zu kurz dimensioniert sind. Mit dem Multicharger stellt dies aber zum GlĂŒck kein Problem dar, da es nicht lĂ€nger ist, als z.B. ein modernes e-MTB.

Etwas nachteilig zeigen sich die 26 Zoll-LaufrĂ€der allerdings im Ăberrollverhalten. Gerade auf dem alten Pflasterstein, hier in der Staufener Altstadt, rollen 27,5 Zoll oder 29 Zoll Reifen doch
komfortabler. Abhilfe schafft hier etwas weniger Luftdruck in den Reifen und in der Suntour-Luft-Federgabel.

Ich verlasse die Altstadt und nun geht es steil bergauf zur Burgruine Staufen. Mir fĂ€llt angenehm auf, dass selbst unter Voll-Last, der Bosch Performance Line CX 4.0 hier im Riese & MĂŒller Multicharger, vergleichsweise leise arbeitet. Mit dem krĂ€ftigen 85 Nm Motor und der prĂ€zisen 11-fach Ketten-Schaltung (Touring Ausstattung) werden selbst steilste Passagen zum Kinderspiel. Die Burgruine im Sonnenlicht gibt eine tolle Location fĂŒr ein Fotoshooting mit dem R & M. Ich liebe den Kontrast von altem GemĂ€uer und moderner, zeitgemĂ€Ăer Technik.

Das Riese & MĂŒller Multicharger mit Bosch Smart System
Rundum gelungen ist die neue LED-Remote. Ergonomisch liegen alle wichtigen Funktions-Tasten fĂŒr mich gut erreichbar. Bei Bedarf lĂ€sst sich die Remote aber auch vertikal wie horizontal justieren.
Wer schon einmal mit einem Bosch-Antrieb zu tun hatte, wird sich intuitiv schnell zurechtfinden. Die bislang wichtigste Neuerung liegt fĂŒr mich in den mittels App nun individuell anpassbaren
UnterstĂŒtzungsstufen.
Wer schon unterwegs war mit gemischten RadGruppen aus Bio-Bikern und e-Bikern kennt das Problem: Selbst im ECO-Modus ist der e-Biker einem normal fitten Bio-Biker immer noch haushoch ĂŒberlegen, was regelmĂ€Ăig fĂŒr Verdruss auf beiden Seiten sorgt. Hier schafft die E-Bike Flow-App bei Bosch jetzt Abhilfe. Man kann die UnterstĂŒtzung individuell anpassen, sprich bei Bedarf auch reduzieren. Das Smart System stellt dabei eine ZĂ€sur dar bei Bosch.

Bosch spricht von ganz neuen, zukunftsweisenden Möglichkeiten in Sachen FlexibilitĂ€t und KonnektivitĂ€t. Tracking & Diebstahlschutz spielen dabei genauso eine Rolle, wie stetig wachsende Neuerungen ĂŒber Softwareupdates, die der Kunde mittels Flow-App nun selbst vornehmen kann. Auch sind hardwareseitig in Zukunft weitere AkkugröĂen und vermutlich auch Displays geplant.
Was wann genau kommt, ist im MĂ€rz 2022 noch nicht bekannt. Fest steht aber schon jetzt, es gibt keine RĂŒckwĂ€rts-KompatibilitĂ€t. Noch nicht einmal das bisherige LadegerĂ€t kann weiter verwendet werden. Wer also einen Bosch-Antrieb von 2021, oder frĂŒher besitzt, wird nie in den Genuss der Neuerungen kommen. EnttĂ€uschend wird auch zur Kenntnis genommen, dass das Smart System keine Möglichkeit bietet, sein Mobile Phone damit zu laden. Das wĂ€re wichtig und tatsĂ€chlich âsmartâ gewesen, weil die Flow App auf dem Mobiltelefon ja die zentrale Schnittstelle darstellt.
Auch ist es in Sachen KonnektivitĂ€t mit anderen GerĂ€ten eher enttĂ€uschend. Wer z.B. gewohnt ist sein Tracking, oder seine Navigation, ĂŒber einen Radcomputer wie ein Garmin zu tĂ€tigen, wird feststellen, dass das Smart System keine Verbindung ĂŒber ANT+ herstellt.

Ansonsten gibt es aber nichts zu bemĂ€ngeln, ganz im Gegenteil. Sowohl das Kiox 300 Display, als auch die Remote ĂŒberzeugen optisch wie funktional. Das Bike lĂ€sst sich auch nur mit der Remote fahren,
ohne Display. Der auf 750 Wh erstarkte Bosch-Akku bietet genĂŒgend Reserven fĂŒr nahezu alle Lebenslagen. Rund 700 Gramm Mehrgewicht sind bei einem e-Bike dieser Kategorie, angesichts der erhöhten Reichweite, zu verkraften.
Unterwegs auf Schotter- und Naturwegen
Ich lasse die Altstadt von Staufen hinter mir und mache mich auf den Weg ins MĂŒnstertal. Mal ist der Untergrund asphaltiert mal unbefestigt. Wer hĂ€ufiger auf Schotter- oder Naturwegen unterwegs ist kann die GX-Option wĂ€hlen, mit leicht rollenden Smart Sam Stollenreifen. Wobei auch die standardmĂ€Ăig verbauten Schwalbe Super Moto X Reifen unter den trockenen Bedingungen heute gut rollen und mir ausreichend Grip und DĂ€mpfung bieten.
Die Wendigkeit des Multicharger Mixte wird nun in einem ersten HĂ€rtetest auf die Probe gestellt. Die einspurige MĂŒnstertalbahn hat auf dem Radweg einen kleinen, unbeschrankten BahnĂŒbergang, an dem enge Gitter im 180° Winkel, Radfahrer zum Absteigen veranlassen sollen. Mit einem normalen Rad wird das Passieren hier schon schwierig. Ob ich mit dem langen Multicharger wohl hier âums Eckâ
komme? Ein Versuch ist es Wert und siehe da – es geht tatsĂ€chlich!

Das Grinsen bekomme ich auf dem nĂ€chsten Kilometer nicht mehr aus dem Gesicht. Dass das Multicharger prĂ€destiniert ist fĂŒr E-MobilitĂ€t und als Transportmittel im urbanen Umfeld steht auĂer Frage. Eignet es sich auch fĂŒr Entdeckungstouren und Mikroabenteuer in der Natur? Bei meinem letzten Teil der heutigen Testfahrt möchte ich dies herausfinden. Ziel ist der Aussichtspunkt âKöpfleâ im MĂŒnstertal.
Es geht steil bergauf, die Wege sind unbefestigt. Die 11-Gang Shimano XT-Kettenschaltung hĂ€lt passende GĂ€nge fĂŒr jedes Terrain bereit und lĂ€sst sich wunderbar schalten. Ich gewinne mehr und mehr an Höhe und der bĂ€renstarke Bosch CX 4.0 Motor schiebt kraftvoll an. Die Suntour Luftfedergabel und die Cane Creek SattelstĂŒtze federn grobe Unebenheiten effizient weg und selbst ein kurzer Trailabschnitt stellt kein Problem dar. Wow! Welches andere Lastenrad kann das?
Lasten e-Bike mit Schiebehilfe
Bald darauf stosse ich auf Wanderer. Wir grĂŒĂen uns freundlich, ich steige ab. Zeit die Schiebehilfe zu testen. Auf dem nur leicht ansteigenden Pfad bietet die Schiebehilfe allerdings nur wenig UnterstĂŒtzung. Wenn ich mir vorstelle hier das Multicharger mit GepĂ€ck schieben zu mĂŒssen, wĂŒrde ich mir definitiv mehr UnterstĂŒtzung wĂŒnschen. Kurz darauf steigt der Weg rapide an und plötzlich arbeitet auch die ĂŒber einen Neigungssensor gesteuerte Schiebehilfe mit voller Kraft und zieht mich samt Bike vehement nach oben. Die Abstimmung der UnterstĂŒtzung könnte fĂŒr meinen
Geschmack etwas linearer verlaufen.

Die letzten Höhenmeter zum Aussichtspunkt erklimme ich ĂŒber eine Weide und auch auf Graswegen rollt das Rad komfortabel und geschmeidig. Oben angekommen genieĂe fĂŒr einige Minuten die fantastische Aussicht auf den benachbarten 1414 m hohen Belchengipfel und auf das tief unten liegende MĂŒnstertal bevor ich mich an die rasante Abfahrt mache. Den Sattel senke ich dazu etwas ab – kein Problem, dank Schnellverschluss.
Das Riese & MĂŒller Multicharger GT Touring 750 fĂ€hrt sich gutmĂŒtig und leicht kontrollierbar. Besonders die bissfesten Magura MT5 / MT4 Bremsen sind gut dosierbar und zeigen sich sehr standfest. Das Bike vermittelt viel Sicherheit und macht auch bergab richtig Spass. Der Lenkwinkel und der tiefe Schwerpunkt, erinnern mich an mein 26 Zoll Hardtail.
NatĂŒrlich ist das Multicharger kein E-MTB, der gelegentliche Einsatz auf Waldwegen stellt aber kein Problem dar. Ausgedehnte Trekking- und Abenteuer-Touren mit Abschnitten abseits asphaltierter StraĂen, sind problemlos möglich.
Fazit zu Riese & MĂŒller Multicharger Test
Das Multicharger Mixte GT Touring 750 bietet Riese & MĂŒller-typisch eine hohe QualitĂ€t und schlieĂt erfolgreich die LĂŒcke zwischen einem reinen Lastenrad und einem Touren- und Pendler-Pedelec. Oder anders ausgedrĂŒckt: Es fĂ€hrt sich fast wie ein normales Pedelec, bietet aber weitreichende Lastenrad-Optionen. Und last but not least: Mit dem neuen Bosch Smart System, inklusive 750 Wh Akku, ist man gerĂŒstet fĂŒr die Zukunft. Man darf gespannt sein, was Bosch hier noch alles entwickelt und ob Details, wie die fehlende Lademöglichkeit fĂŒr das Handy, noch nachgebessert werden. Der Design & Innovation Award Gewinn 2022 erscheint mit jedenfalls wohlverdient.