Zuletzt aktualisiert am 3. Januar 2024
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Einen ausgeprägten “Habenwilleffekt” besitzen nicht viele e-MTB Fullys. Doch beim Specialized Turbo Levo tritt genau dieser Effekt ein. Egal, ob als Turbo Levo und Turbo Levo Comp mit Aluminium Rahmen oder als Turbo Levo Expert, Turbo Levo Pro und S-Works mit Carbon Rahmen. Warum das so ist? Was das Turbo Levo so besonders macht? Was sind die Gemeinsamkeiten und worin unterscheiden sich die einzelnen Specialized Turbo Levo Modelle untereinander?
Fragen über Fragen, aber dieser Testbericht soll Antworten geben. In den letzten Wochen und Monaten befand sich der Fahrtechniktrainer Christof Steier in der glücklichen Situation, verschiedene Turbo Levo Modelle ausgiebig testen zu dürfen. Mit von der Partie waren ein gelbes Turbo Levo 2021, ein rotes Turbo Levo Pro Gen3 2022 und ein schwarzes Turbo Levo Comp 2021, auf das der Belchenradler in folgendem Bericht näher eingeht.
Inhaltsverzeichnis
Was für’s Auge
Man braucht nicht zweimal hinschauen, um zu sehen – Specialized kann Design! Egal, in welcher Ausführung. Mit seiner typischen Sidearm-Dämpfer-Anlenkung am Oberrohr hat das Specialized Turbo Levo ein eigenständiges Design mit hohem Wiedererkennungswert. Das Design gefällt nicht nur, sondern ist auch überaus funktional.
Das Sidearm Design ermöglicht eine besonders tiefe Oberrohrabsenkung bei maximaler Steifigkeit. Die klare Formsprache und das gute Design sind Specialized-typische Attribute, die sich seit jeher auszeichnen. Alles ist reduziert auf das Notwendige und Wesentliche.
Die Integration des Akkus
Im Unterrohr integrierte Akkus sind 2021 eigentlich fast Standard. Was macht Specialized anders? Specialized greift bei der Akkuwahl nicht wie andere ins Großserienregal und baut dementsprechend nicht den Rahmen um den Akku herum. Der Hersteller entwirft einen Rahmen, dessen Geometrie exakt seinen Vorstellungen von Funktion und Design entspricht und entwickelt dann einen eigenen Akku, der sich perfekt ins Unterrohr integrieren lässt! Dies ist aufwendig und kostenintensiv.
Aber es lohnt sich! Denn am Ende entsteht ein außergewöhnliches e-Mountainbike wie das Turbo Levo Comp. Ein Bike, dessen 700 Wh Akkukapazität besonders schlank und formschön im Unterrohr integriert wurden. Design-Fans werden sich auch darüber freuen, dass (Levo-typisch) keine Abdeckungen oder Klappen für den Akku im Unterrohr das Gesamtbild trüben. Der 700 Wh Akku des Levo Comp ist schmal, aber 65 Zentimeter lang und circa 3,8 Kilogramm schwer. Durch das Lösen einer 6 mm Inbusschraube nach unten, kann dieser entnommen werden. Untereinander lassen sich der 500 Wh Akku vom Turbo Levo mit dem 700 Wh Akku vom Levo Comp übrigens problemlos tauschen. So lässt sich bei Bedarf auch ein Turbo Levo mit 500 Wh auf 700 Wh upgraden.
Was zeichnet Specialized weiter aus?
Setup und Kennlinien! Specialized-typisch ist eine aufwändige Werks-Abstimmung der Komponenten. Bevor bei einem Turbo Levo (Federweg 160 mm vorne und 150 mm hinten) Gabel und Dämpfer von Fox oder Rockshox verbaut werden, werden die Kennlinien immer speziell auf die Kinematik und die Größe des jeweilige Bikes abgestimmt. Größere Rahmengrößen haben zum Beispiel ein anderes Gabel- und Dämpfer-Setup im Inneren als kleinere Rahmengrößen.
Äußerlich ist dieser arbeitsintensive Prozess den verbauten Elementen erstmal nicht anzusehen. Aber das optimierte Setup erklärt, weshalb sich selbst ein einfaches Specialized Turbo Levo mit Federelementen aus dem Mittelklasse-Segment in der Praxis erstklassig fährt. Das Gesamtkonzept ist überzeugend und passend.
Details sind entscheidend
Specialized für seine technisch pfiffigen Detaillösungen bekannt. Das Minitool EMT ist im Flaschenhalter integriert und wir bei technischen Pannen zum Retter in der Not. Genial ist auch der magnetische Stecker des Ladekabels, wodurch man selbst im Dunkeln immer die richtige Position findet.
Jetzt wird getestet!
Auch wenn der bei Freiburg im Breisgau gelegene Kaiserstuhl nominell mit seinen höchsten Erhebungen von knapp 600 Meter nicht an die hohen Berge des benachbarten Südschwarzwaldes anknüpfen kann, bietet die Weinbauregion doch alles, was es braucht, um ein agiles Trailbike wie das Turbo Levo Comp ausgiebig zu testen. Hier warten Rampen sowie Trails mit verschiedenen Untergründen auf mich. Von flowig bis wurzelig und verblockt – perfekte Testbedingungen!
Ich starte meine Testfahrt im Liliental. Kaiserstuhl-typische Hohlgassen aus einem lehmigen, teils rutschigen Lössboden fordern besonders in diesem regenreichen Sommer voll und ganz die Traktionsqualitäten der von Specialized hergestellten Reifen. Die Butcher 29 x 2,6 und Eliminator 29 x 2,3 Zoll Reifen machen ihren Job ausgesprochen gut und wühlen sich, wenn es darauf ankommt, souverän durch tiefe Schlammkuhlen. Fast so wie der Rüssel vom Schlammwild.
Was kann der Brose Motor?
Der 2.1 Brose-Motor ist dank des Riemenantriebs super leise. Mit der eigenen Softwareabstimmung (custom RX Trail-tuned) von Specialized, ist er das Sahnestück des Turbo Levo. Drei individuell per „Mission Control App“ abstimmbare Unterstützungsstufen genügen hier voll und ganz. Im variablen Trailmodus lässt sich damit im Kaiserstuhl praktisch alles fahren.
Der Antrieb ist mit einem maximalen Drehmoment von 90 Nm bärenstark. Trotzdem ist er feinfühlig dosierbar, mit gutem Pedalgefühl in kurzen, technischen Passagen. Der leise Antrieb und die spartanische Steuerung machen einfach Freude und lassen einen die Natur zu 100 % Naturgenuss genießen – ohne Ablenkung. Ich kann mich ganz auf den Trail und das Fahren konzentrieren, lasse den Alltag schon nach kurzer Zeit hinter mir und tauche in die Landschaft ein, wie in einem guten Film. Ein kleines Display im Oberrohr mit 10 LED-Ladeanzeigebalken und 3 LEDs integriert im On / Off Button zur Anzeige der verschiedenen Unterstützungsstufen. Was braucht man mehr?
Ankunft am Totenkopf: Ab jetzt Downhill!
Nach Ankunft auf dem Totenkopf und Neunlindenturm erwartet mich eine kurze, steile Abfahrt. Die Nässe der letzten Monate haben auch hier ihre Spuren hinterlassen. Wegen der Wasserrinnen und dem losen Gestein ist an dieser Stelle eine gute Linienwahl erforderlich. Das Levo Comp lässt sich hier wunderbar manövrieren und überzeugt.
Denn gerade in solchen Passagen zeigt sich deutlich, wie gut das Gesamtkonzept beim Turbo Levo Comp funktioniert. Eine perfekte Trail-Geometrie (Lenkwinkel 66°), griffige Reifen, gut dosierbare Bremsen und eine gelungene Motorabstimmung. It’s a perfect match! Ich fühle mich auch in diesen ruppigen Passagen jederzeit wohl und sicher mit dem Bike.
Sehr angenehm finde ich die Ergonomie der SLX-Shimano Bremsgriffe. Sie sind auch für kleine und mittelgroße Hände oder mit nur einem Finger bequem zu bedienen. Im Turbo Levo wird man zum Piloten, der die Dinge kontrolliert und nicht zum unfreiwilligen Passagier.
Aber selbst wenn man eine Linie mal nicht ganz trifft, ist das nicht tragisch. Denn das Fahrwerk ist äußerst gutmütig und bügelt fast alles weg. Es gibt dadurch auch unerfahreneren Bikern viel Sicherheit auf Trails. Mit dem Flip-Chip an der Dämpferaufnahme lässt sich das Tretlager um circa 7 mm anheben. Dies bringt gleichzeitig auch einen um etwa 0,5° steileren Lenkwinkel mit sich. Ich fahre das Testbike in der Low-Position und fühle mich perfekt integriert im Bike, ohne auch nur ein Mal im Gelände mit dem Pedal aufzusetzen.
Steil bergauf
Auf dem Vogelsangpass angekommen, genieße ich für eine kurze Verschnaufpause die fantastische Aussicht auf Freiburg und den Schwarzwald. Vor mir wartet ein extrem steiler Anstieg auf den Katharinenpfad. Die 1 x 12-fach Shimano SLX Schaltgruppe schaltet präzise und hält zum Glück genügend leichte Gänge für mich bereit. Mit dem Kopf ganz knapp über dem Lenker erklimme ich, wie eine Gämse in hochalpinem Terrain, souverän den Anstieg. Angekommen!
Dank ausgereifter 29 Zoll Geometrie (Kettenstrebe 455 mm / Radstand 1235 mm in Größe L) und feinfühligem Antrieb gibt es keine Probleme mit einem steigenden Vorderrad und unfreiwillige „Wheelie“-Einlagen bleiben aus. Das Turbo Levo gibt mir auch bergauf ein Gefühl von Sicherheit.
Meine Testfahrt führt mich weiter auf herrliche Naturwege durch den schönen Kaiserstuhl und durch stetiges Auf und Ab sammle ich dabei noch ordentlich Höhenmeter. Der 700 Wh Akku bietet genügend Reserven, auch für ausgedehnte Touren. Zwei Wochen zuvor bin ich mit Biobike-Kunden schon einmal die gleiche Strecke mit 1500 hm gefahren.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie anstrengend die Tour damals war. Heute ist es hingegen dank der Unterstützung im Trailmodus wunderbar sportlich entspannt. Ich könnte stundenlang weiterfahren und die Schönheit der Landschaft genießen. Leider ziehen dunkle Gewitterwolken auf und ich entschließe mich daher den Rückzug anzutreten. Schade! Aber wie eine pinke Zeichentrickfigur früher immer so schön sagte – „Heute ist nicht alle Tage, ich komm’ wieder – keine Frage!“
Welches Turbo Levo Modell passt zu mir?
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Denn Freude am Fahren bieten sie alle. Zwischen dem Levo und dem Levo Comp ist nicht nur die Akkukapazität (500 Wh / 700 Wh) unterschiedlich, sondern auch in der besseren Ausstattung des Comp. Ich würde etwas schwereren Bikern, die gerne auch mal flotter unterwegs sind, tendenziell zum Comp raten, auch wegen der stabileren 36 Fox Rhythm Gabel. Die im einfachen Levo verbaute Rock Shox 35 Silver neigt beim scharfen Anbremsen etwas zum Eintauchen.
Wem das puristische Cockpit gefällt, der sollte sich jetzt noch für ein Levo oder Levo Comp Modelljahr 2021 entscheiden. Denn die nächste Generation 3 dürfte auch da mit einem multifunktionalen Display ausgestattet sein. Das Turbo Levo Pro ( MJ 2022) ist eine Klasse für sich. Denn es ist noch deutlich abfahrtslastiger ausgelegt als das Levo und Levo Comp. Das Pro geht eigene Wege mit der Mullet-Bereifung (vorne 29 Zoll / hinten 27,5 Zoll). Die vielfach anpassbare Geometrie und die 38 Fox Factory Gabel bieten viele Setup-Möglichkeiten. Perfekt für alle, die es bergab so richtig krachen lassen wollen. Voll ausgeschöpft werden diese ganzen Möglichkeiten aber wohl nur von Profis in entsprechenden Rennserien.
Das Levo Pro ist ein echtes Traumbike. In kundiger Hand stellt es eine Waffe auf der Jagd nach Bestzeiten dar. Um ein besseres Gefühl für die verschiedenen Modelle zu bekommen, empfiehlt sich eine Probefahrt bei einem Specialized-Händler von e-motion in deiner Nähe. Ein besonderer Dank geht raus an die e-Bike Experten von e-motion e-Bike Welt Freiburg Süd und Manfred Schwendemann, für die Bereitstellung der Testräder aus dem Hause Specialized!
Fazit
Mit den Turbo Levo Modellen bietet Specialized für jeden e-Fully Fan ein passendes Trail e-Bike. Beim Turbo Levo und Levo Comp liegt die herausragende Qualität im stimmigen Gesamtkonzept. Bei den Carbon Varianten überzeugen außerdem das niedrige Gewicht und Komponenten mit vielen Abstimmungsmöglichkeiten.
Entscheidend sind die Individuellen Vorlieben, der Einsatzzweck und natürlich auch der finanzielle Spielraum. Fest steht aber eines ganz sicher – jedes Turbo Levo bringt maximalen Fahrspaß und zaubert einem ein anhaltendes Lächeln ins Gesicht.
Viel Spass beim Testen!
Euer Belchenradler
e-Biketouren Radreisen Fahrtechnik
www.belchenradler.de