Zuletzt aktualisiert am 8. September 2021
Das Turbo Levo der Kultmarke Specialized setzt bei e-Mountainbikes bereits seit seinem Erscheinen im Jahr 2015 MaĂstĂ€be, war immer wieder Testsieger und oft richtungsweisend fĂŒr die Entwicklung des gesamten Marktes.
Das Specialized Turbo Levo Gen3 zeigt in der getesteten Pro Variante kompromisslos, auf welch hohem Niveau sich die e-Bike Technik in der Modellsaison 2022 befindet. Denn fĂŒr ihren Preis erhĂ€lt der e-MTB Fahrer kein einfaches Facelift des bewĂ€hrten Konzepts, sondern ein völlig ĂŒberarbeitetes e-Bike. Welche Neuerungen das Turbo Levo Gen3 bereithĂ€lt und wie es sich in der Praxis fĂ€hrt? DarĂŒber gibt Fahrtechniktrainer Christof Steier, alias Belchenradler, in seinem Testbericht Aufschluss.
Erster Eindruck des Specialized Turbo Levo Gen3
Wem das alte Specialized Turbo Levo gefallen hat, kann beruhigt aufatmen. Auch die dritte Generation ist bereits auf den ersten Blick klar erkennbar wieder ein typisches Specialized e-Fully mit dem charakteristischen âSidearm Designâ in der DĂ€mpfer-Anlenkung. Beibehalten hat man auch den bewĂ€hrten Federweg von 160 mm vorne und 150 mm hinten, der hervorragend zum Einsatzzweck des sportlichen Trailbikes passt.
Was optisch direkt auffĂ€llt, ist die neue Mullet-Bereifung mit 29 Zoll vorne und 27,5 Zoll hinten, beide nun in der wuchtigen Breite von 2,6 Zoll. Alle anderen Neuerungen erschlieĂen sich einem erst so richtig auf den zweiten Blick. Sie sind aber dafĂŒr umso tiefgreifender.
Was ist neu am Turbo Levo Gen3?
Das Specialized Levo Gen3 ist mit einem im Oberrohr integrierten Display ausgestattet. Die Mastermind Turbo Control Unit (TCU) setzt neue MaĂstĂ€be in Sachen KonnektivitĂ€t und ist das âGehirnâ des e-Bikes. Unter einem trailrobusten Gorillaglas hat man nun wĂ€hrend der Fahrt, gut ablesbar, alle relevanten Daten ĂŒber sich und das Rad direkt im Blick.
Neu sind unter anderem eine integrierte Höhenmessung, ein Echtzeit-Support-Tuning mittels direkter Anpassung der UnterstĂŒtzungsstufen in 10 Prozent Schritten, eine Anzeige der verbleibenden Ladung in Prozent sowie die Anzeige der Herzfrequenz und Trittleistung. Das Display bietet eine individuelle Anpassung des Layouts mit 120 möglichen Konfigurationen. Die TCU kommuniziert auĂerdem mit der Mission Control App, um weitere Tuningmöglichkeiten und On-Trail-Diagnosen zu ermöglichen. Verliert das Specialized Levo Gen3 damit etwas von seinem ursprĂŒnglichen, minimalistischen und sportlichen Charakter? Ich finde nein. Das Turbo Levo ist inzwischen erwachsen geworden und auch in Sachen KonnektivitĂ€t jetzt am Puls der Zeit.
Eine clevere Geometrieanpassung
Die fĂŒr mich wichtigste Neuerung beim Levo Gen3 liegt aber in der Geometrie. Es verfĂŒgt ĂŒber sechs Geometrieeinstellungen, die eine Anpassung an den persönlichen Fahrstil und das jeweilige GelĂ€nde ermöglichen. Die bereits oben erwĂ€hnte Mullet-Bereifung ermöglicht eine um 13 mm kĂŒrzere Kettenstrebe als noch beim Turbo Levo 2. Wie sich dies in der Praxis auswirkt erfahrt ihr im anschlieĂenden Testbericht.

Mittels Flip Chip am Horst Link lĂ€sst sich das Tretlager um 7 mm absenken. Drei verschiedene Steuerrohrwinkel ermöglichen eine Anpassung von 63 bis 65,5 Grad. Um guten Druck auf das Pedal zu bringen und ein steigendes Vorderrad bei steilen Anstiegen zu vermeiden, ist der Sitzwinkel nun mit 76,7° deutlich steiler geworden als beim Levo 2 mit 74,8°. Der Trend zu einem langen Reach (452 mm beim S3 Gen 3/435 mm GröĂe M Gen 2), einem flachen Lenkwinkel und einem steilen Sitzwinkel hĂ€lt also weiterhin an.
Neu ist bei Specialized auch das sogenannte S-Sizing mit sechs zur Auswahl stehenden GröĂen (S1-S6). Die Idee dahinter ist, dass man die RahmengröĂe nicht wie bisher nach seiner BeinlĂ€nge wĂ€hlt, sondern nach seinem Fahrstil. Von der SitzrohrlĂ€nge/ Sattelhöhe aus betrachtet, hat man nun immer mindestens die Auswahl zwischen zwei RahmengröĂen. Ob man sich fĂŒr die LĂ€ngere oder KĂŒrzere entscheidet, ist eine Frage des persönlichen Fahrstils. Mag man es verspielter und agiler, greift man zur kleinen GröĂe. Mag man es abwĂ€rts laufruhiger, greift man zum gröĂeren Rahmen. Nachdem die RĂ€der die letzten Jahre im Radstand immer lĂ€nger und lĂ€nger geworden sind, ist das fĂŒr mich eine sinnvolle Neuerung.
Der Specialized 2.2 Motor von Brose am Turbo Levo Gen3
In Sachen Antrieb gibt es ebenfalls einige Updates. Beim verbauten Specialized 2.2 Motor aus dem Hause Brose kommt ein neuer Riemen und eine neue Firmware zum Einsatz, die der ZuverlĂ€ssigkeit und dem FahrgefĂŒhl dienen sollen. Das Brose 2.2 Aggregat lĂ€uft gewohnt leise und leistet wie bisher krĂ€ftige 90 Nm. Auch an der AkkukapazitĂ€t mit 700 Wh gab es keine Ănderungen.
Neu ist hingegen die mit zwei Dichtungsklappen deutlich verbesserte Abdeckung der Ladebuchse und eine damit einhergehende WetterbestÀndigkeit. Klasse! Auch beim Fahrwerk gibt es Neuerungen. Vorne arbeitet nun eine potente 38er FOX Factory Kashima Federgabel, hinten ist ein FOX-X2-DÀmpfer verbaut. Schön, dass bei FOX inzwischen die Kashima-Beschichtung des DÀmpfers den gleichen Farbton hat wie die Gabel.
Wir fÀhrt sich das Specialized Turbo Levo Gen3 im Test?
Als Testfahrer hatte ich es zwar schon hĂ€ufiger mit relativ hochpreisigen Bikes zu tun, das Turbo Levo Pro Gen3 stellt aber schon eine Region dar, die mich in der Praxis etwas vorsichtig stimmt: Einerseits möchte ich so eine High-End Profimaschine möglichst artgerecht bewegen, um sie richtig zu testen. Andererseits möchte ich keinesfalls riskieren, das Levo Pro bei einem Sturz in den Wald zu werfen⊠Ich entscheide mich daher als Teststrecke fĂŒr eine meiner Hausstrecken im SĂŒdschwarzwald, den Etzenbacher Höhenweg, und einige anspruchsvolle, technische Trails im MĂŒnstertal. Sie bieten alles, was es braucht, um ein Trailbike wie das Turbo Levo auf Herz und Nieren zu prĂŒfen. AuĂerdem bietet mir eine bekannte Strecke eine gute Vergleichbarkeit zu anderen e-MTBs, mit denen ich dort schon gefahren bin.
Ich fahre das Turbo Levo Pro im Standard Set Up, ohne Absenkung und mit dem 65,5 Grad Lenkwinkel. Ich bin 183 cm groĂ und fahre das S3, was etwa der GröĂe M entspricht. GröĂe S4, oder gar S5, wĂ€ren laut Specialized-Tabelle fĂŒr meine GröĂe wohl auch eine Option. TatsĂ€chlich tendiere ich inzwischen aber wieder zu Bikes, die eher wendig und agil sind. Mit einem Radstand von 123 cm entspricht es ziemlich exakt der LĂ€nge frĂŒherer L-Rahmen, die ich gefahren bin. Vom Kloster St. Trudpert im MĂŒnstertal aus starte ich meine Testfahrt. Der erste Kilometer lĂ€uft auf einem asphaltierten Radweg mit wenig Steigung und gibt mir Gelegenheit, mich mit dem Gen3 vertraut zu machen.
Ich fĂŒhle mich jedenfalls sofort wohl auf dem Bike und freue mich, wĂ€hrend ich mich mit den Möglichkeiten der TCU vertraut mache, ĂŒber den genial leisen Brose Antrieb. Nun geht es steil bergauf. Mir hallen noch die Worte meines Kollegen im Ohr, der keine Mullets mag, weil das Vorderrad, bedingt durch die kurze Kettenstrebe, angeblich immer so schnell im steilen GelĂ€nde steigt.
Rauf und runter
Auf dem Etzenbacher Höhenweg angekommen, genieĂe ich den fantastischen Ausblick auf das Bergpanorama im SĂŒdschwarzwald und den Blick in die Rheinebene bis zu den Vogesen. Ich bin froh, dass der leise Brose Antrieb nicht das Naturerlebnis trĂŒbt. Auf dem Bergkamm fahre ich nun bergauf zur Sonnhalde. Heftige Wurzelfelder sind auf dem kargen, ausgewaschenen Boden stĂ€ndige Begleiter. Das potente Fahrwerk schluckt auch gröĂere Wurzeln problemlos weg. Selbst richtig groĂe Wurzeln in steilen Anstiegen sind fĂŒr das Turbo Levo der 3. Generation kein Problem. Langsam bekomme ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

Nun folgt die erste Abfahrt zum Berggasthaus Kohlerhof auf einem relativ steilen Weg mit viel losem Gestein. Wow! Die Fox Factory 38 Gabel bĂŒgelt alles glatt, obwohl ich mich mit den komplexen Setup-Möglichkeiten (High Speed/Low Speed Compression) der Gabel noch gar nicht allzu ausgiebig beschĂ€ftigt habe. Auch bieten die 29er Butcher auf dem Vorderrad viel Grip und Laufruhe.
Als letztes Testfeld begebe ich mich nun auf einen technischen Trail bergab ins MĂŒnstertal mit zahllosen engen Spitzkehren. Nun kommt es auf die AgilitĂ€t und Wendigkeit an. Ein groĂer Vorteil des Turbo Levo Pro Gen3 ist sein relativ niedriges Gewicht fĂŒr ein e-MTB mit 90 Nm Leistung und 700 Wh AkkukapazitĂ€t. Fahrfertig mit Pedalen habe ich ein Gewicht von 21,3 kg festgemacht. Manöver, wie Hinterradversetzen in engen Kehren, gelingen damit leichter als mit schwereren Bikes. Auch bin ich in extrem engen Kehren – wo es buchstĂ€blich auf jeden Zentimeter ankommt, ob sie fahrbar sind oder nicht – froh, nun das etwas kleinere S3 e-Bike zu haben. Mir gefĂ€llt die Mullet-Geometrie sehr gut. Die Vorteile liegen in der Kombination aus Laufruhe, dank 29 Zoll VorderrĂ€der, und AgilitĂ€t, dank kurzer Kettenstrebe. Der Trail endet irgendwann, aber das Grinsen bleibt mir noch lange im Gesicht.
Das Fazit zu meiner Testfahrt mit dem neuen Turbo Levo Gen3
Das Specialized Turbo Levo Gen3 ist in der Pro Version der absolute Hammer und in kundiger Hand eine echte Waffe fĂŒr die Jagd auf Hundertstelsekunden in entsprechenden Rennserien. FĂŒr technikaffine Hobbybiker, die sich etwas ganz Besonderes leisten wollen, bietet dieses Bike zahllose Abstimmungsmöglichkeiten, die aufgrund der KomplexitĂ€t und VielfĂ€ltigkeit vermutlich nur wenige voll ausschöpfen werden. Aber das Motto lautet: Man könnte, wenn man wollte. Und mega SpaĂ macht das neue Turbo Levo garantiert! Herzlichen Dank an die e-Bike Experten von e-motion e-Bike Welt Freiburg SĂŒd fĂŒr die Bereitstellung des Testbikes!

Beste GrĂŒĂe aus dem schönen SĂŒdschwarzwald,
Euer Belchenradler
e-Biketouren Radreisen Fahrtechnik
www.belchenradler.de