Zuletzt aktualisiert am 8. September 2021
Wir nehmen die neuesten Premium S-Pedelecs genau unter die Lupe. In unserer Testberichte Reihe rund um die 45 km/h schnellen Bikes, lassen wir die absoluten Spitzenreiter gegeneinander antreten und stellen die StĂ€rken und SchwĂ€chen der einzelnen Modelle heraus. Den Anfang machte das Riese & MĂŒller Supercharger2 GT Vario HS. Dieses ĂŒberzeugte vor allem mit seiner enormen Reichweite und hochwertigen Ausstattung.
Der heutige Gegenpol zu Riese & MĂŒller in Sachen S-Pedelec kommt aus der Schweiz und heiĂt Stromer. Die Firma Stromer ist seit Jahren spezialisiert auf S-Pedelecs. Qualitativ und preislich auf einem Level mit Riese & MĂŒller, jedoch konzeptionell sehr unterschiedlich. Das Haupteinsatzgebiet ist klar definiert, die Zielgruppe ist der âdaily commuterâ im urbanen Raum.Â
Elegant von A nach B
âElegant Commuting – Pendeln fĂŒr Fortgeschritteneâ – lautet der Slogan des ST3. Stromer verspricht urbane Power, pendeln in âTour-de-France-Geschwindigkeitâ und ist mit seiner 814 Wh AkkukapazitĂ€t absolut langstreckentauglich. Stromer ist eigenstĂ€ndig, setzt auf einen Hinterrad-Nabenantrieb statt Mittelmotor. Technisch ermöglicht dieses Konzept bei Bergabfahrten eine Rekuperation, die bis zu 20 % zusĂ€tzliche Reichweite generieren soll.
Das Display ist im Oberrohr integriert, sĂ€mtliche ZĂŒge und Bremsleitungen sind innen verlegt und sorgen fĂŒr ein super cleanes Design. Ein echtes Lifestyle Produkt, bei dem die zahllosen Design Awards eine deutliche Sprache sprechen.
Das ST3 besitzt eine starke Lichtanlage von Roxim mit 600 Lumen Abblendlicht und 900 Lumen Volllicht und natĂŒrlich ein gesetzlich gefordertes Bremslicht. Die Bremsanlage ist von TPR und hat vorne einen vier Kolben- und hinten einen zwei Kolbenbremssattel verbaut mit 203 mm Bremsscheiben vorne und hinten. Auch ansonsten sind alle verbauten Komponenten sehr hochwertig, lediglich der SeitenstĂ€nder wirkt an einem Rad dieser Gewichtsklasse etwas unterdimensioniert. Was gefĂ€llt und sofort ins Auge sticht, ist das Stromer-typische, markante LED-U im Steuerrohr. Â
FahreindrĂŒcke

Auf der Probefahrt schiebt das ST3 in der Ebene vom ersten Meter an zĂŒgig nach vorne. Man fĂŒhlt sich direkt wohl, sitzt gut positioniert und bequem im Sattel. Etwas gewöhnungsbedĂŒrftig ist das stylisch im Oberrohr integrierte Touch-Display. Wer allerdings nicht permanent wĂ€hrend der Fahrt seine Fahrdaten im Blick haben muss, kommt damit gut zurecht. Und natĂŒrlich gibt es auch die Option eines Smartphon-Hubs am Vorbau.
Das Test ST3 hat eine Starrgabel. Bei Fahrten auf asphaltierten StraĂen von guter QualitĂ€t vermisst man eine Federgabel nicht wirklich. Wenn der Belag aber ruppiger wird oder man abseits asphaltierter Strecken unterwegs ist, schlĂ€gt jede Unebenheit gnadenlos auf den Lenker durch. Eine Federgabel bietet Stromer optional in der Konfiguration.Â
Die speziell fĂŒr Stromer entwickelten Pirelli Cycle-e Reifen erinnern vom Profil her an Motorradreifen. Die Cycle-e Reifen sollen wenig Rollwiderstand, aber gleichzeitig viel Kurvengrip generieren. Bei 20° C und trockenen Bedingungen zeigt sich der Reifen wĂ€hrend der Testfahrt auf Asphalt stets gutmĂŒtig und bietet genĂŒgend Grip. Wie er sich unter nasskalten Bedingungen fĂ€hrt, konnte ich nicht testen. Interessanterweise bietet Stromer aber einen Winterreifen an. AuffĂ€llig ist wie leise der Pirelli fĂŒr eine Reifenbreite von fast 60 mm rollt. Das 31 Kilogramm schwere Rad liegt damit satt auf der StraĂe und zeigt sich bei einem kleinen Slalomtest erstaunlich agil und wendig. Gut fĂŒr die Stadt!
Motor und Schaltung
Stromer setzt seit 2009 auf Hinterradmotoren Die KraftĂŒbertragung wirkt beim Hinterradmotor direkt auf die Nabe und beschleunigt laut Stromer âeffizient ohne Umwege ĂŒber Kurbel, Ritzel und Ketteâ. Was direkt auffĂ€llt, ist wie gerĂ€uschlos der Nabenmotor lĂ€uft. Man hört praktisch nichts vom Motor. Klasse!

In der Ebene erreicht man spielend leicht 45 km/h und kann dank groĂer Ăbersetzung der Shimano XT 1 x 11 Kettenschaltung noch bequem mittreten. Stromer hat ein Kettenblatt mit 52 ZĂ€hnen und eine 11-42 Kassette verbaut. Die Bandbreite betrĂ€gt damit wie bei der Enviolo rund 380 %, allerdings mit einer ganz anderen Charakteristik. In Kombination mit der 27,5â Bereifung ergibt sich eine Entfaltung von 10,5 Meter im gröĂten Gang, das heiĂt man legt mit einer Kurbelumdrehung 10,5 Meter zurĂŒck. Einen ganzen Meter mehr pro Kurbelumdrehung als mit der Enviolo am Supercharger2! Bei einer Trittfrequenz von 80 kommt man rechnerisch mit dem Stromer auf rund 50 km/h, was in der Praxis – zumindest in der Ebene – oder bei leichtem GefĂ€lle, auch durchaus möglich ist.
Kein Licht ohne Schatten. Als Kehrseite der Medaille fehlt es dafĂŒr dem ST3 an kleinen BerggĂ€ngen. 2,74 m betrĂ€gt die Entfaltung im kleinsten Gang (Enviolo 2,51 m). Was bedeuten diese Zahlen in der Praxis? Um dies zu prĂŒfen fahre ich mit dem Stromer ST3 von der Oberrheinebene aus in meine alte Heimat im SĂŒdschwarzwald, auf das 800 MĂŒM gelegene Geiersnest bei St. Ulrich. Auf einer Distanz von 12 km gilt es fast 600 Höhenmeter zu bewĂ€ltigen mit Steigungen bis zu 14%.
Aus der Schweiz, doch nicht fĂŒr die Berge konzipiert
Am Berg zeigt sich fĂŒr welchen Einsatzbereich das ST3 eigentlich konzipiert ist – den urbanen Raum. Denn wĂ€hrend der verbaute SYNO Drive2 Hinterradnabenmotor auf geraden Ebenen mit seinem maximalen Drehmoment von 44 Nm ausreichend Power bietet, ist fĂŒr steile Strecken der 85 Nm starke Bosch Speed Line 4.0 Mittelmotor besser geeignet. Somit hĂ€ngt das passende Modell wie so oft von der zu fahrenden Strecke ab: Wer auf seinem Arbeitsweg steile Anstiege zu ĂŒberwinden hat, wird mit dem Supercharger2 S-Pedelec Modell von Riese & MĂŒller dank dem starken Bosch Antrieb weniger aus der Puste kommen. Wer auf ĂŒberwiegend geraden Strecken in der Stadt unterwegs ist, findet im ST3 von Stromer einen formschönen und leistungsstarken GefĂ€hrten.
Bei der Bergabfahrt spĂŒrt man wie die Rekuperation eingreift, als leicht gewöhnungsbedĂŒrftigen Lastenwechsel. Die zur EnergierĂŒckgewinnung eingesetzte Bremskraft des Motors soll laut Hersteller den Bremsenverschleiss reduzieren und gleichzeitig die Akkureichweite um bis zu 20 % erhöhen. Wer rollend auf langen, steilen Abfahrten höhere Geschwindigkeiten liebt, wird aber vielleicht etwas enttĂ€uscht sein. Die Rekuperation bremst das Stromer spĂŒrbar ab.
FĂŒr Pendler, die ĂŒberwiegend in der Ebene oder in einem nur leicht hĂŒgeligen Terrain unterwegs sind, spielt das alles zum GlĂŒck keine groĂe Rolle. Dort ist das Stromer ST3 ganz in seinem Element und ein ideales PendlergefĂ€hrt!
Euer Belchenradler Christof Steier
Belchenradler: E-Biketouren Radreisen Fahrtechnik
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